#DME19: Chancen der Digitalisierung
#DME19: Chancen der Digitalisierung
Am 1. und 2. April ging es in der Wiener Aula der Wissenschaften um Content, User-Generierung und das Überleben der Zeitung im digitalen Zeitalter: Die Fachkonferenz „Digital Media Europe 2019“ (#DME 19) versammelte um die 250 Besucherinnen und Besucher aus der ganzen Welt zum Erfahrungsaustausch, gab erfolgreichen Projekten eine Bühne und gab Ausblick auf künftige Entwicklungen.
Wenn man einige Gemeinsamkeiten aus den Erfahrungen der zahlreichen DME19-Vortragenden ableiten will, könnten diese wie folgt lauten:
- Redaktioneller Content wird immer weiter regionalisiert und auf die Bedürfnisse individueller User (bzw. User-Gruppen) zugeschnitten, um erfolgreich zu sein.
- RezipientInnen sind v.a. mit Storys zu gewinnen, die gut recherchierte Hintergründe und aktuelles Bild- bzw. Videomaterial bieten.
- Nur so gelingt es, Authentizität zu vermitteln und sich gegenüber dem Gratis-Boulevard und Fake-News-Produzenten durchzusetzen.
- Dafür gilt es, ins Personal zu investieren: Leistungsgerechte Entlohnung und zielgerichtete Weiterbildung für Redakteurinnen und Redakteure.
- Google, Facebook & Co. als „Fressfeinde“ zu betrachten ist genauso falsch wie ihnen als Medienunternehmen widerstandslos das Feld zu überlassen.
- Stattdessen gilt es, neue Allianzen unter den Marktteilnehmern zu bilden, und mit vereinten Kräften in Konkurrenz zu den „digitalen Riesen“ zu treten.
- Dabei und bei der Gewährleistung einer ausreichenden thematischen Breite hilft die Bündelung der Kräfte, z.B. über gemeinsame Content- und AutorInnen-Pools.
- Wer „Gratis-Content“ bei Google & Facebook kritisiert, darf nicht gleichzeitig seine eigenen Produkte verschenken: Mit kurzen Probe-Abos, die noch dazu automatisch enden, gewinnt man langfristig keine treuen Kunden.
„Besserer Journalismus führt zu besseren Resultaten“, stellte etwa der Pål Nedregotten fest, Bereichsleiter für Innovation beim norwegischen Verlagshaus Amedia. Was betreffend die Qualität der Publikationen nur logisch ist, sei in der Folge auch konkret messbar, wenn man die Entwicklung der Userzahlen anschaut.
Kundenbindung durch Innovation und Gamification
Der Niederländer Rien van Beemen, CEO bei NRC Media, sprach sich dafür aus, mit seinen Usern nicht mehr „nur zu daten“, sondern „sich ernsthaft zu binden“. Soll heißen: Wer für das Publikum unverzichtbar werden will, muss langfristige Abos vermarkten. Die von Schnupper-Angeboten verwöhnten RezipientInnen müssten dafür allerdings mit innovativen Medienprodukten und einer flexiblen Preisgestaltung überzeugt werden. Tatsachen, die sich auch mit den Erfahrungen von Jobiqo – gerade im Bereich unseres Content-Service – decken.
Für die Kundengewinnung kommen auch die Prinzipien der Gamification zum Einsatz. Gerold Riedmann, Chefredakteur der Vorarlberger Nachrichten (VN) und Geschäftsführer von Russmedia, präsentierte in diesem Sinn das Prinzip der „Ländlepunkte“: Wer sich auf dem Russmedia-Newsportal vol.at bewegt, erhält diese für das Schreiben und Bewerten von Kommentaren, für das Teilen von Beiträgen und andere Aktivitäten gutgeschrieben. Und kann die Punkte später gegen diverse Goodies eintauschen und an Gewinnspielen teilnehmen.
Der Clou: Auch anonymisierte User, die sich noch nicht bei vol.at registriert haben, werden – natürlich nur im Rahmen der DSGVO – wahrgenommen. Sobald auf diese Weise tausend Ländlepunkte zustehen würden, wird die Registrierung und deren Inanspruchnahme angeboten. Ein absolutes Erfolgsprojekt, wie Riedmann betont – und auf die vol.at-Reichweite von 70 Prozent im „Ländle“ verweist.
Das aus der ganzen Welt angereiste Publikum der #DME19 zeigte sich begeistert und inspiriert von den internationalen Vortragenden. Fotos: Bernhard Madlener
In die Mitarbeiter/innen investieren
Im Interview mit Anita Zielina, das Riedmann im Rahmen der #DME19 führte, zeigten sich beide einig, was die Notwendigkeit der Mitarbeiterförderung angeht, um als Medienbetrieb Erfolg zu haben. Zielina, die vor Kurzem als Director of Innovation and Leadership der Craig Newmark Graduate School of Journalism an die City University of New York berufen wurde und auf eine beeindruckende journalistische Karriere u.a. beim Wiener Standard, dem Stern und der Neuen Zürcher Zeitung verweisen kann, stellte fest: Für die kontinuierliche Weiterbildung journalistischer Talente fehle den Verlagen oft ein nachhaltiges Konzept.
Zwar würden sie im Recruiting-Prozess umworben, aber danach wären sie „irgendwie eh da“ – quasi erfolgreich „eingefangen“. Was in früheren Zeiten gereicht hat, funktioniere bei den Millennials längst nicht mehr: Wer ihnen nicht die Flexibilität, Freiheit und Chance auf Höherqualifizierung biete, die sie sich wünschen, habe als Dienstgeber das Nachsehen – und darf ihren Aufstieg immer öfter bei der Konkurrenz beobachten.
Mit dem Programm der Digital Media Europe 2019 gaben sich die World Association of Newspapers and News Publishers und ihre Kooperationspartner keine Blöße. Auch Wien dürfte den internationalen Gästen und Vortragenden mit der #DME19 somit als Medien- und Messestandort in großartiger Erinnerung bleiben.