Zukunft der Jobvermittlung: Vom Skill-based Matching bis zur Künstliche Intelligenz
Zukunft der Jobvermittlung: Vom Skill-based Matching bis zur Künstliche Intelligenz
Die Zukunft der Jobvermittlung basiert auf Machine Learning- und Deep Learning-Algorithmen. Jobiqo hat damit u.a. das KI-Reichweitenprodukt „Jobiqo AIR“ entwickelt, das im Frühsommer 2023 vorgestellt wurde. Um die rasanten technologischen Entwicklungen im Bereich der Jobvermittlung für die Allgemeinheit besser einzuordnen, beantwortet Jobiqo-CTO Matthias Hutterer einige Fragen.
Mitte November 2023 hat das Arbeitsmarktservice (AMS) in Österreich angekündigt, ab 2024 die Arbeitsvermittlung zu modernisieren, indem ein sogenanntes „Kompetenzmatching“ eingeführt wird. Künftig werden Arbeitsuchende also nicht mehr nur aufgrund ihrer Berufsbezeichnung auf offene Stellen vermittelt, sondern es werden die gesamten relevanten Kompetenzen der Menschen berücksichtigt. Wie ist diese Entwicklung einzuordnen?
Matthias Hutterer: Das ist grundsätzlich ein wichtiger und guter Schritt. Das AMS erkennt an, dass die reine Fokussierung auf Berufsbezeichnungen in der dynamischen Arbeitswelt von heute nicht ausreichend ist. Die Berücksichtigung von Kompetenzen, Interessen und Fähigkeiten ist essenziell, um Arbeitssuchende rasch mit wirklich passenden Stellenangeboten abzugleichen und den Unternehmen langfristig passende Fachkräfte zuzuführen.
Das AMS spricht diesbezüglich von einer außergewöhnlichen Innovation. Ist diese Einordnung nachvollziehbar?
Hutterer: Im Kontext der öffentlichen Verwaltung ist die Einführung solcher Technologien sicher eine Errungenschaft – allerdings gibt es solche Systeme am Markt schon seit gut 20 Jahren. Die Herausforderung war bisher immer die Verfügbarkeit von möglichst vollständigen Datensätzen und strukturiert beschriebenen Informationen – z.B. in Lebensläufen, Neigungsprofilen, Stellenausschreibung etc. Damit ist ein semantischer Abgleich, also das tatsächliche Matching, möglich, und kann durchaus genaue und aussagekräftige Ergebnisse liefern.
Welche besonderen Herausforderungen birgt dieser Ansatz des reinen „Skill-based Matching“?
Hutterer: Eine der größten Herausforderungen liegt in der Komplexität und Vielfalt der Kompetenzen (Skills) samt der Notwendigkeit, diese kontinuierlich zu aktualisieren und zu interpretieren. Die Technologie muss flexibel und adaptiv sein, um mit den sich ständig verändernden Anforderungen des Marktes Schritt zu halten. So müssen eben auch Berufskategorien, die sich insbesondere im Rahmen der Digitalisierung wandeln, rasch und dynamisch angepasst werden.
Wie kann man sich das genau vorstellen?
Hutterer: Zuletzt hatte es beispielsweise im Jahr 2022 beim AMS durch veraltete Berufsinformations-Systematiken eine amüsante Verwirrung rund um den Beruf des/r Philosoph:in gegeben. Weil keine passenden Begriffe für den Logistik-Bereich greifbar waren, wurde Philoph:in plötzlich zum Mangelberuf erklärt. Hintergrund war die frühere und kaum mehr gebräuchliche Bezeichnung des philosophischen Teilgebiets der Logik als „Logistik“. Man kann nur hoffen, dass die neuen, kompetenzbasierten Systeme des AMS nicht weiterhin auf dieser starren Systematik aufbauen. In den letzten Jahren hat sich international, insbesondere im Bereich der dynamischen Kontextdaten-Erkennung sowie der Künstlichen Intelligenz, z.B. dem Machine Learning oder Deep Learning, sehr viel getan.
Wie kann Künstliche Intelligenz (KI) dabei helfen, diese Schwächen im Matching zu überwinden?
Hutterer: Die KI-basierte Klassifikation, und nun auch generative KI-Syseteme und LLMs (Large Language Models wie ChatGPT oder Googles BARD, Anm.), bieten die Möglichkeit, ein vollständigeres und robusteres Verständnis für die Nuancen und die Komplexität der Jobvermittlung zu entwickeln. Diese Technologien können dabei helfen, Muster und Verbindungen zwischen verschiedenen Faktoren zu erkennen, die menschlichen Vermittler:innen möglicherweise entgehen.
Wie werden diese Technologien in die Jobiqo-Software integriert?
Hutterer: Wir können Künstliche Intelligenz im Allgemeinen und Generative AI im Besonderen bereits dafür nutzen, um ein umfassendes Bild jedes Arbeitssuchenden zu erstellen. Dabei berücksichtigen wir nicht nur individuelle Fähigkeiten, sondern auch die jeweiligen Karriereziele, Interessen und Präferenzen betreffend die Unternehmenskultur. Insbesondere die Aktivitäten, die Nutzer:innen auf von uns betriebenen Job-Plattformen setzen, führen zu neuen Kenntnissen betreffend die Neigungen und eignen sich besonders gut dafür, passende Jobvorschläge zu generieren. Dies alles kann helfen, über das traditionelle Skill-Matching hinauszugehen, und bietet eine ganzheitliche und zukunftsorientierte Vermittlung. Bereits im Jahr 2018 haben wir mit Unterstützung der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) an innovativen Lösungen zum Thema Kontext und Daten für Recommender Systeme gearbeitet.
Viele Menschen sorgen sich beim Einsatz von KI vor der Entstehung von Bias – also technologisch manifestierter Vorurteile. Welche Rolle spielt die Bias-Erkennung in solchen Systemen?
Hutterer: Bias-Detection ist ein zentrales Element in diesem Bereich, auch bei uns. Wir arbeiten seit 2021 eng mit der Johannes Kepler Universität Linz (JKU) und dem Institut für Computational Intelligence zusammen. In der Kooperation geht es darum, Bias in Daten zu erkennen und unsere Algorithmen zu optimieren, um etwaige Vorurteile in den Ergebnissen zu verhindern. Unser Ziel ist es, faire und inklusive Job-Matching-Plattformen zu schaffen, die Vielfalt und Chancengleichheit fördern, wie wir das mit zahlreichen Referenzen, wie zum Beispiel myAbility, durch die Herstellung von Barrierefreiheit auf Jobbörsen, erreicht haben.
Was dürfen wir uns im Bereich der Arbeitsmarkt-Vermittlung, Jobbörsen und Matching künftig erwarten?
Hutterer: Die Zukunft liegt in einer intelligenten, adaptiven und ganzheitlichen Vermittlung. Künstliche Intelligenz und Kontextdaten werden eine entscheidende Rolle spielen, um den sich schnell ändernden Bedürfnissen des Arbeitsmarktes gerecht zu werden. Unser Ziel bei Jobiqo ist es, an der Spitze dieser Innovation zu stehen und den Arbeitsmarkt effizienter, gerechter und inklusiver zu gestalten. Ganz nach unserer Unternehmensvision: „Help people find jobs online“.
Mag. Matthias Hutterer ist CTO bei Jobiqo und hat seit der Unternehmensgründung 2011 die Entwicklung von über 300 Job-Plattformen in 21 Ländern begleitet. Dabei setzte er mit dem Jobiqo-Team innovative Recruiting-Lösungen im Bereich Stellenmarkt, Matching und Programmatic Advertising um. Pro Jahr werden über die Jobiqo-Plattformen weltweit mehr als 10 Millionen Bewerbungen gestartet. Als studierter Wirtschaftsinformatiker Hutterer ist seit 2005 als Technologie-Experte im Bereich der Jobvermittlung tätig.