Digital Recruiting: Strategische Talente-Suche statt Würfelspiel
Digital Recruiting: Strategische Talente-Suche statt Würfelspiel
Das IAB (Interactive Advertising Bureau) Austria lud am 24. September 2020 zur Online-Diskussion. In Kooperation mit der FH St. Pölten, Masterlehrgang Digital Marketing, wurde die Digitalisierung der Jobvermittlung diskutiert.
„HR goes Digital: Talent Acquisition ist das neue Recruiting?“ war Titel des Gesprächs, dessen Leitung für das IAB Sabrina Oswald, Managing Partner der Kommunikations Agentur Futura, übernahm. Die Videoaufzeichnung des Zoom-Meetings ist auf YouTube zu sehen.
Als Diskutantinnen und Diskutanten geladen waren die Recruiting- und DigitalisierungsexpertInnen Gregor Weihs (TalentShark Recruitment), Thomas Ilk (Bacon & Bold), Eugen Schmidt (About Media) und Nina Saurer (Talentor Austria), sowie Jobiqo-Geschäftsführer Martin Lenz. Ihnen gemeinsam ist die jahrelange Erfahrung im Bereich der Digitalisierung. Und die Übereinkunft, dass die vergangenen Monate der Corona-Krise die Digitalisierung in Wirtschaft und Gesellschaft stark beschleunigt haben.
Kampf um die besten Talente
Trotz aktuell steigender Arbeitslosigkeit – und damit einem wachsenden Bewerbermarkt – dürften Arbeitgeber nicht davon ausgehen, „dass einem die besten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einfach so zufliegen“, stellte Martin Lenz gleich zu Beginn klar. Nach wie vor gelte: „Für die besten Talente muss man kämpfen.“ Nicht nur, um sie zu finden und für das Unternehmen zu gewinnen, sondern auch um sie zu halten.
Dem stimmte Nina Saurer zu, die ergänzt: „Die Corona-Krise hat gezeigt, dass der digitalisierte Bewerbungsprozess viele Chancen bietet.“ Arbeitgebern sei zu empfehlen, diese Chancen zu erkennen und zu nutzen, denn persönliche Bewerbungsgespräche wären noch für längere Zeit nur eingeschränkt zu empfehlen.
Thomas Ilk setzt bei den Herausforderungen für das moderne Recruiting lange vor Corona an: Wenn man über Jobs rede, in denen wirklich ein „War for talents“ vorherrscht – es also den oft zitierten Fachkräftemangel gebe –, „dann ist die Vorstellung absurd, dass diese Leute auf Jobbörsen suchen“. Aus seiner Erfahrung hätten diese gefragten Leute tendenziell sehr viele Stellenangebote aus ihrem beruflichen Netzwerk. An sie komme man als Recruiter am ehesten durch persönliche Kontaktaufnahme heran – und mit etwas Glück: „Idealerweise“, so Ilk, „erreicht man so jemanden am Tag nach seinem Urlaub, vor dem er sich ordentlich über den Chef geärgert hat“. Das seien die Situationen, in denen sich Fachkräfte abwerben lassen.
Optimierung der „Candidate-Journey“
Am digitalisieren Stellenmarkt herrsche bei Bewerberinnen und Bewerbern, sehr viel Frust, führt Ilk weiter aus. Wenn etwa im Bewerbungsprozess ein Maturazeugnis gewünscht ist, sei das nach 20 oder noch mehr Jahren im Beruf mehr als nur irrelevant. Jobsuchende könnten das kaum ernst nehmen – und viele brechen die „Candidate-Journey“ ab.
Martin Lenz bestätigt, dass der Weg von der Online-Jobbörse ins digitale Recruiting-Tool eines Unternehmens oft zum Absprung führt: „Ich empfehle Führungskräften gerne, sich mal beim eigenen Unternehmen online zu bewerben, am besten über das Smartphone.“ Digitale Sackgassen werden eben am ehesten klar, wenn man selbst in einer landet. Das Verständnis für Zweck und Nutzen einer guten Online-Jobbörse wird damit jedenfalls gesteigert.
„Employer Branding“ schafft Unternehmens-„Botschafter“
Ganz abseits von Recruiting-Tools und -Kanälen sieht Eugen Schmidt die Arbeitgeber in der Verantwortung, wenn es um die Attraktivierung von Jobs geht: Stichwort „Employer Branding“. Wer den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine gute Arbeitsumgebung bietet, der wird sich auch leichter tun, weitere Talente zu gewinnen. Nämlich, indem die Belegschaft die guten Rahmenbedingungen nach außen trägt, die Leute gleichsam als „Botschafter“ für das Unternehmen agieren.
Wer sein Recruiting digital optimieren will, sollte dafür auch echte Expertinnen und Experten mit an Bord holen. Denn es nütze die beste Kampagne mit den tollsten Jobversprechungen nichts, so Schmidt, wenn die dazu gehörigen Landing-Pages auf der Unternehmensseite nicht optimiert sind. Da verlaufe dann vieles im Sand, werde wertvolles Budget vernichtet.
Karrierewege gemeinsam planen
Gregor Weihs thematisiert die allgemeine Beschleunigung, die im Recruiting stattfindet. Kaum ein Unternehmen habe mehr Zeit, auf die benötigten Fachkräfte zu warten: „Wenn die Arbeitgeber bei uns landen, wollen sie die Leute sofort.“ In dem Zusammenhang seien digitale Recruiting-Tools natürlich eine große Hilfe – allein schon, weil auf Firmen- und Bewerberdaten via Cloud zeit- und ortsunabhängig zugreifbar ist.
Auch nehme er bei Arbeitgebern oft die Sorge wahr, dass sich neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dem Unternehmen zu wenig verpflichtet fühlten. Da werde dann gefragt: „Was machen wir, wenn der in fünf Jahren schon wieder geht?“ – Die Antwort darauf könne nur lauten: „Seien Sie froh, wenn der mal überhaupt fünf Jahre bleibt.“ Gefragten Fachkräften müsse entsprechend etwas geboten werden: Indem man gemeinsam den Karriereweg plant und als Unternehmen in fachliche Weiterbildungen investiert.
Mit der Beantwortung einiger Publikumsfragen ging die spannende Zoom-Diskussion nach knapp zwei Stunden zu Ende. Wer sich ins Thema vertiefen und Tipps für die Suche nach den besten Mitarbeitenden bzw. der zielführenden Selbstpräsentation als BewerberIn erhalten will, dem sei die Nachschau auf YouTube empfohlen. Das IAB Austria hat zudem eine Pressemeldung zur Veranstaltung ausgesandt.
Foto: Riho Kroll/Unsplash.com